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In der gegenwärtigen Diskussion um die geplanten Windenergieanlagen (WEA) am Glindfelder Weg wünschen sich viele Bargteheider*innen eine konzentrierte Übersicht über die Fakten, die mit dem Thema verbunden sind. Diese Übersicht legen wir nun vor: eine Chronik der Ereignisse, eine Sammlung der verschiedenen Pro- und Contra-Argumente und eine Vorstellung der beteiligten Gruppierungen:
Nachdem die Windmühlen im Laufe des 20. Jahrhunderts durch Verbrennungsmotoren und Strom aus der Steckdose verdrängt wurden, deutete sich nach dem Klimagipfel von Rio de Janeiro 1992 die Wende an. Im gleichen Jahr erfand der Ostfriese Aloys Wobben die getriebelose Windmaschine. 2000 verabschiedete die Regierung Schröder das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), um die nichtfossile Energieproduktion zu fördern.
Im Mai wird die Bargteheider Klimainitiative gegründet. Durch eine stadtweite Unterschriftenaktion wird ein Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht.
Nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März proklamiert die Regierung Merkel den Ausstieg aus der Kernenergie. In vielen Bundesländern werden die Genehmigungshürden für Windräder gesenkt, so auch in Schleswig-Holstein. Im Sommer wird das Klimaschutzkonzept zusammen mit interessierten Bürgern erarbeitet und eine Klimamanagerin eingestellt. Auf einer Bürgerversammlung am 7. November äußert der Bauer Jürgen Heecks die Idee, auf seinen Feldern Windenergieanlagen aufzustellen, und bekommt großen Beifall dafür. Da kurz darauf (am 15. November) die Frist abläuft, in welcher eventuell geeignete Flächen bei der Landesplanungsbehörde angemeldet werden können, meldet die Stadtverwaltung zwei Flächen nördlich und südlich des Glindfelder Weges, die südlich gelegene Fläche wird in den schleswig-holsteinischen „Regionalplan" aufgenommen. Dieses wurde von der Stadtvertretung am 9. Dezember bestätigt.
Nachdem monatelang nichts passiert, fordert die SPD im Juni einen Bürgerentscheid über den Bau der Windräder (ohne zu wissen, dass durch die Aufnahme in den Regionalplan die Entscheidung bereits gefällt wurde, dass Windräder von wem auch immer gebaut werden können), die anderen Parteien in der Stadtvertretung stimmen zu. Im Juli spricht sich erstmal die WfB offen gegen den Bau der Windanlagen aus. Im August und September werden der neue Bebauungsplan und eine Veränderungssperre verabschiedet, während gleichzeitig eine Unterschriftenaktion in Klein Hansdorf und Timmerhorn gegen das „undemokratische Vorgehen" der Bargteheider läuft. Am 13. Oktober werden auf einer Veranstaltung der Grünen im Stadthaus das Prinzip des Bürgerwindparks öffentlich vorgestellt und verschiedene technische und rechtliche Bedingungen beim Bau von WEA erläutert. Anfang November organisiert die Bargteheider Klimainitiative eine Radtour zum Windpark in Lasbek.
Im Januar beschließt die Stadtvertretung die Gründung eines Bürgerwindparks, an dem sich nur Bargteheider Bürger*innen beteiligen dürfen, und den Abschluss eines entsprechenden städtebaulichen Vertrages mit den Grundeigentümern (der im Herbst nochmal ergänzt wird). Im März beschließt die Stadtvertretung zur Durchführung der Baumaßnahmen ein sog. „beschleunigtes Verfahren", um die ansonsten erforderlichen komplizierten Planänderungen zu vermeiden. Am 26. März wird die „Bürgerwindpark Bargteheide GmbH & Co KG" gegründet, Geschäftsführer sind Stadtkämmerer Joachim Teschke und Bankkaufmann Stefan Körner. Im Mai fällt die Entscheidung für ein Modell der Firma Vestas. Im Vorfeld der Kommunalwahl am 26. Mai kämpfen die FDP und die WfB gegen die geplanten Anlagen. Im Sommer werden die ersten Gutachten vorgestellt und erregt debattiert. Die Flugsicherungsbehörde in Kiel erklärt im Juli, sie habe keinerlei Bedenken gegen die Errichtung der Anlagen.
Vermutlich kann Ende 2014 mit dem Bau und der Inbetriebnahme der Anlagen begonnen werden.
Abstandsregelungen und Grenzwerte sind immer eine Mischung aus politischen Erwägungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, wobei die Wissenschaft in der Regel keine klaren Antworten gibt, sondern Wahrscheinlichkeiten benennt. In Deutschland betragen die vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen WEA und geschlossenen Wohngebieten zwischen 500 und 1000 Metern, der in Schleswig-Holstein vorgeschriebene Abstand von mindestens 800 Metern gilt auch in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern, in Hamburg sind es sogar nur 500 Meter (Übersicht des Bundesumweltministeriums vom Januar 2012). International sind die Regelungen so unterschiedlich, dass sich jeder das herauspicken kann, was ihm gefällt. Ansonsten weisen die Windenergiegegner auf die verschiedensten Empfehlungen der WHO, des Robert-Koch-Instituts usw. hin, ohne diese Quellen korrekt zu zitieren, so dass es kaum möglich ist, sich ein eigenes kritisches Urteil zu bilden. Die Weltgesundheitsorganisation beispielsweise unterstützt ausdrücklich die Nutzung erneuerbarer Energien (Link).
Seit Jahren weist die internationale Klimaforschung auf die Gefahren der globalen Erwärmung hin (vgl. UNO-Klimarat, Umweltbundesamt, Wikipedia). Vor diesem Hintergrund ist jede Reduzierung der CO2- und Methangas-Emission anzustreben. Die erneuerbaren Energien tragen wesentlich zur Vermeidung von CO2 bei (Bundesumweltministerium). Laut Bundesumweltminister Altmaier (CDU) „ist die Windenergie das Rückgrat der Energiewende".
Wie jedes Gebäude und jede Maschine kann natürlich auch eine WEA bei Brand, Baufehlern, technischem Versagen oder schwerem Wetter die Anwohner gefährden. Da die Technik jedoch bereits sehr ausgereift ist, ist dieses Risiko relativ gering. Außerdem besitzt jede moderne WEA ein kompliziertes internes Überwachungssystem (SCADA) und Selbstabschaltungsfunktionen. Weitere Informationen findet man auf den Seiten des Windenergie-Notfall-Informationssystems.
Weiterhin können WEA die Lebensqualität der Anwohner durch Schattenwurf, Geräusche (siehe nächsten Punkt) und allein schon durch ihre optische Präsenz beeinträchtigen.
Schattenwurf: Die Schattenwurfdauer darf nach Bundes-Immissionsschutzgesetz 30 Minuten täglich und 30 Stunden im Jahr nicht überschreiten. Laut dem Bargteheider Schattengutachten ist dies bei einigen Einzelhäusern unter bestimmten Wetterbedingungen möglich, daher werden die WEA zu bestimmten Tageszeiten automatisch abgeschaltet.
Ästhetik: Diese Art der Beeinträchtigung ist stets subjektiv. Manche finden Windräder schön, manche hässlich. Unberührte Natur gibt es in Deutschland kaum, nur hat man sich mittlerweile an Hochspannungsleitungen, Silos, Asphaltwege, Straßenlaternen und dergleichen so sehr gewöhnt, dass man sie als selbstverständlichen Teil der Kulturlandschaft akzeptiert. Dennoch ist beim Bau von WEA eine Ausgleichszahlung für den Naturschutz vorgeschrieben. Für den Windpark Bargteheide sind das 730.000 Euro, die an den Kreis bezahlt werden müssen.
Grundstücke, die in unmittelbarer Nähe zu WEA liegen, können durchaus an Wert verlieren. Allerdings gibt es keine Erfahrungswerte, da Kaufentscheidungen für Grundstücke und Häuser aus den unterschiedlichsten Gründen getroffen werden. Windkraftgegner sprechen von bis zu 30 % Wertminderung. Ein Gutachten der Stadt Aachen von 2012 hingegen stellt überhaupt keinen Wertverlust fest. Das schleswig-holsteinische Innenministerium betonte im November 2011: „Es gibt keinen Anspruch auf Unveränderbarkeit der Umgebung, diese ist vielmehr im Rahmen rechtmäßiger Planungen hinzunehmen und dem Eigentum immanent (Sozialpflichtigkeit)." (Link)
Die Gesundheit der Anwohner kann insbesondere durch den hörbaren Schall und den nicht-hörbaren Infraschall beeinträchtigt werden.
Geräusche: Laut der bundesdeutschen Lärmschutzverordnung („TA Lärm") dürfen in Wohngebieten tagsüber 50 dB(A) (entspricht einer normalen Unterhaltung) und nachts 30 dB(A) (entspricht dem Regen vor dem Schlafzimmerfenster) nicht überschritten werden (vgl. Bundesumweltministerium). Das Schallgutachten für die Bargteheider WEA errechnet für die Ortsgrenzen von Bargteheide und Klein Hansdorf bei Volllastbetrieb einen maximalen Geräuschpegel von 40 dB(A), das entspricht den üblichen Hintergrundgeräuschen in einem Haus. Daher werden die Anlagen nachts auch nicht unter Volllast betrieben. Außerdem ist zu bedenken, dass die Bahnlinie, die Umgehungsstraße und die ohnehin vorhandenen natürlichen Lärmquellen selbst nachts jede WEA übertönen.
Infraschall: Auch unhörbarer Schall kann ab einer bestimmten Stärke die Gesundheit beeinflussen (Studie des Robert-Koch-Instituts von 2007). Belegt ist eine Gesundheitsgefährdung allerdings erst jenseits von 100 dB(A) (vgl. Wikipedia). Infraschall wird beispielsweise durch rotierende Maschinen, Pumpen, Klimaanlagen und Erdbewegungen erzeugt. Laut dem Infraschallgutachten für die Bargteheider WEA erreicht der nicht-hörbare Schall in 200 Meter Entfernung eine maximale Stärke von 25 dB(A), bei 600 Metern – wo die ersten Wohngebäude liegen – sind es maximal 20 dB(A), das entspricht dem Schalldruck von Bäumen, die im Wind schwanken.
Die Gefährdungen der Natur durch WEA sind gering und betreffen einige Groß- und Greifvogelarten, beispielsweise den seltenen Rotmilan, sowie Fledermäuse in der Zugzeit. Dennoch stellen NABU und BUND fest: „Auch die Windkraft hat ihren ökologischen Preis. Dennoch ist der ökologische Rucksack der Windkraft im Vergleich zu anderen Energieträgern deutlich kleiner." (NABU, BUND) Tatsächlich sind auch auf dem Gelände der Bargteheider WEA mehrere gefährdete Vogel- und Fledermaus-Arten zu beobachten. Auch aus diesem Grund muss die Bürgerwindpark-GmbH zum Ausgleich Naturschutzflächen im Wert von 230.000 Euro erwerben.
Laut dem Deutschen Wetterdienst ist Nordwestdeutschland die am besten geeignete Region für Windkraftnutzung. WEA auf dem Meer („offshore") sind sicherlich am effektivsten, aber ihr Bau ist technisch und finanziell extrem aufwendig, die Anbindung an die Überlandnetze überwiegend noch nicht vorhanden, der Gewinn kommt fast ausschließlich den großen Energiekonzernen zugute, und auch hier gibt es bedrohte Tierarten, z.B. den Schweinswal (vgl. die Position des Bundesverbands Windenergie). Um dennoch die Offshore-Windkraft rentabel zu halten, hat die Bundesregierung unter anderem die Einspeisevergütung nach EEG erhöht und einen Teil des Investitionsrisikos übernommen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung treibt demgegenüber den Ausbau der Windkraftnutzung an Land („onshore") voran. Allerdings ist auch für diesen Strom eine bessere Netzanbindung erforderlich.
Die Gutachten zum Windertrag und zur Standorteignung bescheinigen den Bargteheider WEA „günstige Windverhältnisse" und erwarten einen Ertrag von 20 bis 30 Megawattstunden pro Jahr. Allerdings sind auch ein gewisses Risiko vorhanden, da der Wind bekanntlich schwankt oder die Anlagen aus technischen Gründen für längere Zeit ausfallen oder gar kaputtgehen können. Dennoch ist es am wahrscheinlichsten, dass die Anlagen einen ordentlichen Gewinn erwirtschaften. Und dieser Gewinn wird überwiegend in unserer Stadt bleiben:
Der Bürgerwindpark gehört vielen kleinen Investor*innen ausschließlich aus Bargteheide, Jersbek und Klein Hansdorf (gemäß dem Prinzip eines Bürgerwindparks können nur Ortsansässige Anteilsscheine in Höhe von jeweils 1000 Euro erwerben).
Mit dem Bau und der Wartung werden hauptsächlich regionale Handwerker beauftragt.
Da der Sitz der GmbH in Bargteheide ist, wird die Stadt auch die Gewerbesteuereinnahmen erhalten.
Hinter den Bargteheider WEA stehen vor allem die örtliche CDU, SPD und wir Grünen. Wir Grüne haben den klimapolitischen Wandel in unserer Stadt angestoßen, CDU und SPD haben den Bau des Windparks in der Stadtvertretung durchgesetzt. Seitdem auch wir Grüne in der Stadtvertretung sind, haben wir ebenfalls die Weiterentwicklung des Bürgerwindparks unterstützt und in einer gemeinsamen Erklärung mit der CDU unsere Zustimmung geäußert.
Gegner der WEA sind die FDP und WfB sowie zahlreiche Bürger*innen, die auf einen Bürgerentscheid gehofft hatten oder sich durch teilweise übertriebene und irrationale Behauptungen in ihrer Gesundheit und Lebensqualität bedroht fühlen. Letztere haben im Sommer 2013 eine Bürgerinitiative gegründet, die sich der seit den 1990er Jahren bestehenden „Gegenwind"-Bewegung zugehörig fühlt.
Die Anwohner am Glindfelder Weg selbst sind hingegen zum Teil für den Windpark, zum Teil dagegen, zum Teil unentschieden.
Der eigentliche Streit um die WEA begann Ende 2012. Vorher hatte lediglich die WfB auf die Nutzlosigkeit dreier Windräder gegen den Klimawandel hingewiesen, und es gab einzelne Leserbriefe im „Markt". Dann entdeckte die FDP das Thema für ihren Kommunalwahlkampf und gewann damit – gegen den Landestrend – 0,3 Prozent an Stimmen hinzu. Seit dem Sommer 2013 hat die Auseinandersetzung eine ungeahnte Schärfe angenommen. Viele Redner in den öffentlichen Veranstaltungen und Leserbriefschreiber werfen Politik und Verwaltung vor, bewusst gegen die Interessen der Stadt und das Wohl ihrer Bürger*innen zu handeln: „panikartige Vorgehensweise" (Manfred Müller, Markt, 22.5.), „entgegen aller wirtschaftlichen Vernunft" (Helga Dorer („Gegenwind"-Initiative), Markt, 2.10.), „große Volksverarsche" (Hermann Fischer (FDP), Markt, 31.7.), „es geht jetzt um Leben und Tod" (Hartmut Scheffler (Klein Hansdorfer Bürgerinitiative), Markt, 26.6.), „ich finde es unmöglich, dass nicht an die Menschen gedacht wird" (Ilse Rodas, Hamburger Abendblatt, 25.9.), die Stadtvertreter vertreten „bloß ihre eigenen privaten Interessen" (Loren Thoma, vor der Stadtvertretung, 11.9.).
Vor allem geht es den Gegnern darum, den Abstand zu verringern: Auf dem Flyer der „Gegenwind"-Initiative ist von „Windriesen im Vorgarten" die Rede, die FDP ließ einen dunklen Ballon unmittelbar an der Stadtgrenze aufsteigen, die Grafik der WfB rückte den Sockel eines unförmigen Windrades direkt neben die Bargteheider Kirche.
Eine Kommunalaufsichtsbeschwerde wurde eingereicht und wird derzeit verhandelt. Am 25.9. haben Anke Schlötel-Fuhlendorf und Claus Christian Claussen als Vertreter der politischen Gremien in einem großen Artikel im „Markt" zu mehr Fairneß in der Diskussion aufgefordert und den Wunsch geäußert, „von Polemik, falschen Darstellungen und persönlichen Beschädigungen abzusehen".
Stand: 13.10.2013
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